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„Wenn wir nicht zusammenhalten, verlieren wir Zukunft“
Herausforderung 2022. Wirtschaftskammer-Präsident Hans Peter Metzler warnt im DIWI-Interview vor einem „Auseinanderdividieren“ der Wirtschaft.
Ein Jahreswechsel ist immer auch ein Anlass in sich zu gehen, Dinge zu hinterfragen, sich neu zu orientieren. Wie war das bei Ihnen?
Ich habe genau das getan und merke, dass es nicht immer einfach ist, Interessenvertreter zu sein. Es ist eine Aufgabe, bei der da und dort eine Grenze erreicht wird, weil es Vertrauensverluste in die Politik, in die Institutionen gibt. Das zieht uns auch in diesen Strudel, obwohl wir das eigentlich nicht verdient haben. Eine öfters differenzierte Betrachtungsweise unserer Funktionen wäre wünschenswert. Wir sind Interessenvertreter, und haben dies in der vergangenen Zeit auch immer wieder unter Beweis gestellt. Auf allen Ebenen haben wir uns massiv im Interesse des Standortes eingebracht, haben uns koordiniert, vernetzt und auch Druck gemacht. Einiges konnten wir mit Hausverstand verhindern, einiges ist uns in der Umsetzung gelungen, aber leider nicht alles.
Dabei waren die Herausforderungen sehr unterschiedlich. Wie begegnet man dem?
Unsere Aufgabe ist es, unseren Mitgliedern so gut es geht in der Pandemie zu helfen. Die WK-Serviceabteilungen haben rund um die Uhr sehr gut gearbeitet. Aufgrund der unterschiedlichsten Betroffenheiten war dies eine große Herausforderung. Umfragen zeigen aber, dass unsere Mitglieder mit diesem Einsatz durchaus zufrieden waren und sind.
Der Wirtschaftskammer wird aber immer wieder vorgeworfen, zu wenig regierungskritisch zu sein.
Weil wir eben nicht alles erreichen konnten, glauben manche, wir tragen alles mit. Dem ist definitiv nicht so. Wir sind mit vielen Entscheidungen nicht einverstanden und haben das auch vehement artikuliert. Da sind in der Kommunikation der Regierung unglaubliche Fehler passiert. Aber wir stoßen auch an Grenzen, wo der Einfluss endet. Das tut weh, wenn wir dann für gewisse Entwicklungen, die wir auch nicht wollen, verantwortlich gemacht werden. Aber hätte es uns nicht gegeben, wären vielen Hilfsmaßnahmen nicht in diesen Ausmaßen entstanden.
Für Sie war und ist es immer wichtig, die Wirtschaft als großes Ganzes zu betrachten und zu denken. Hilft uns das in der Krise?
Ein Standort und eine Lebensregion sind sehr komplexe Gebilde, da muss viel zusammenstimmen, um eine gute Lebensqualität und ein erfolgreiches Wirtschaften möglich zu machen. Da kann man mit einem Schwarz-Weiß-Denken nicht alles erklären, da gibt es viele Graubereiche. Da muss man ausgleichen, demokratisch versuchen, Brücken zu bauen, Widersprüchlichkeiten auflösen, den Zusammenhalt festigen. Das ist etwas, was sich auch im Kern unserer Wirtschaftskammerorganisation widerspiegelt. Aber wir haben in dieser Situation eben auch eine Mitverantwortung, die wir täglich unter Beweis stellen. Dies mit einer Regierungshörigkeit zu vergleichen ist nicht fair.
Dennoch mussten Maßnahmen vielfach auch zähneknirschend mitgetragen werden.
Weil wir gesehen haben, dass Gesundheit in Abwägung mit anderem immer Priorität hat. Nur müssen wir irgendwann in eine Verhältnismäßigkeit kommen, da wir immer mehr Kollateralschäden vernehmen, die bei der Bewertung von Situationen und Maßnahmen zu wenig berücksichtigt werden.
Haben Sie noch Verständnis, dass oft die epidemiologische Sichtweise im Vordergrund steht?
Ja, aber wir müssen endlich diese Schäden in der Wirtschaft und der Gesellschaft mitberücksichtigen, die im Laufe der Monate entstanden sind. Und nur weil wir auf vielen Füßen unterwegs sind, konnten wir bisher die Situation bewältigen. Und das, trotz zusätzlicher Herausforderungen, wie den Rohstoff- oder Energiepreisen, Lieferkettenproblemen oder dem enormen Fachkräftebedarf.
Was erwarten Sie sich jetzt von der Politik?
Verlässlichkeit und Planbarkeit bleiben - auch im Wissen, dass das in einer Pandemie nicht leicht ist - die zentralen Anliegen. Wir haben uns oft über die äußerst kurzfristigen Verordnungen geärgert, die uns auf den Tisch geknallt wurden. Da sind in der Kommunikation der Regierung gravierende Fehler passiert. Da ist handwerklich vieles nicht gut gemacht worden und Vertrauen verloren gegangen. Manche Vorgehensweise ist für die betroffenen Betriebe schwer zumutbar und nicht nachvollziehbar: Ein Schritt vor, drei Schritte zurück – das ist zermürbend und beschädigt den Unternehmerwillen nachhaltig. Die Politik wird mit ihrer Hü/Hot-Politik nicht mehr so weitermachen können. Wir brauchen jetzt eine langfristige Strategie im Umgang mit dem Corona-Virus, denn wir werden damit leben müssen. Es ist entscheidend, dass sich die Betriebe und ihre Mitarbeiterinnen auf Aussagen, Ankündigungen und Zusagen der Regierung verlassen können.
Sind aus Ihrer Sicht die Hilfsmaßnahmen ausreichend?
Die Hilfsmaßnahmen müssen dringend adaptiert und an die verschiedenen Situationen angepasst werden, damit die Mittel möglichst rasch, effizient und zielgenau dort ankommen, wo sie am meisten gebraucht werden. Verbesserungspotenzial sehen wir etwa beim Ausfallsbonus. Aufgrund der massiven Belastung der Betriebe wird es hier notwendig sein, die vorgegebene Deckelung anzuheben. Es gilt auch neue Instrumente zu finden. Verhandlungen dazu laufen ja bereits in Wien. Wir wissen, dass es in einigen Bereichen leider bis heute nicht funktioniert, da sind wir auch ständig gefordert, dies aufzuzeigen.
Aktuell plädiert die WKÖ für eine Verschiebung der Impfpflicht, richtigerweise?
Aus meiner Sicht ja, denn man sollte zuerst alle verfassungsrechtlichen Bedenken ausräumen und alle Mittel wie Anreize, Information und Beratung ausschöpfen, um die Impfquote zu steigern. In der Hoffnung, dass wir sie nicht brauchen, denn sie spaltet nur noch mehr. Vom zu erwartenden Verwaltungschaos ganz zu schweigen.
Abseits von Corona, was beschäftigt die Wirtschaftskammer Vorarlberg?
Unser Kerngeschäft ist und bleibt die duale Ausbildung, sprich das Thema Fachkräfte. Es geht uns aber auch um die Rahmenbedingungen, wie legen wir etwa die Bürokratie beiseite. Und dann sind da die Zukunftsthemen, die wir weiterhin im Rahmen unseres Strategieprozesses Dis.Kurs Zukunft angehen und bearbeiten. Wir versuchen hier Antworten für unseren Standort zu geben. Im Rahmen unserer Möglichkeiten, wollen wir mit viel Herzblut und Engagement Projekte voranbringen, die dem Standort und Vorarlberg dienen und einen Beitrag leisten, damit wir Zukunft haben. Die 2020er-Jahre werden wohl die anspruchsvollsten Jahre seit langem. In der Geschichte hat es immer Transformationen und Veränderungsprozesse gegeben, aber in dieser Komplexität, in dieser Geschwindigkeit und in diesem globalen Kontext ist dies einmalig. Die Pandemie war ein erster Vorbote, daher ist es nicht die Frage ob, sondern wann es zur nächsten Verwerfung kommt.
Sie betonten dabei stets das Miteinander, aktuell wohl wichtiger denn je?
Ich bin dafür, dort wo es möglich ist, Vorarlberger Antworten finden, die Kleinheit des Landes zu nützen, die Balance zu finden und damit Resilienz zu erzeugen. Das alles geht nur im Miteinander. Auch wenn es um globale Themen geht. Wenn wir anfangen, uns zu zersplittern, werden wir die genannten Herausforderungen nur sehr schwer bewältigen, dann verlieren wir Zukunft, für uns und unsere Kinder. Ein realistischer Blick ist notwendig, was alles um uns herum passiert. Da ist oder war das Virus vielleicht in der Retrospektive nur eine Verwerfung, jedoch nicht die einzige. Daher mein Appell, sich nicht spalten zu lassen. Wir müssen hin zu einem Miteinander und immer wieder probieren, den gemeinsamen Nenner zu finden. Dazu stehen wir auch als Wirtschaftskammer. Was wir nicht brauchen ist Angst vor der Zukunft, aber Respekt vor dem, was da noch kommt. Wenn wir uns da gegenseitig in Frage stellen und uns auseinanderdividieren lassen, dann machen wir einen großen Fehler
Welchen Wunsch haben Sie für das neue Jahr?
Dass wir die Pandemie jetzt endlich hinter uns bringen, um uns dann mit aller Kraft den Chancen, die die Zukunftsthemen haben, widmen zu können. Mein Wunsch ist, dass wir innerhalb unseres Hauses über die Sparten hinweg und in der gesamten Wirtschaft die Solidarität nicht zu verlieren. Wir kennen ja die Zusammenhänge, wenn das erwirtschaftete Geld fehlt, was das heißt. Geringere Steuereinnahmen heißt auch weniger Geld etwa für das Gesundheitswesen, für den Pflegebereich, für den Umwelt- und Klimaschutz, für die Bildung und all die anderen wichtigen Kernthemen. Optimismus bleibt Pflicht. Das macht mir auch Hoffnung, dass wir als Gesellschaft und Wirtschaft diese Krise überwinden.
Vielen Dank für das Gespräch!