KommR Betriebsökonom Wilfried Hopfner, CSE
© Mauche Daniel

„Ein gemeinsamer politischer Wille wäre so wichtig“

Kommerzialrat Wilfried Hopfner, Präsident der Wirtschaftskammer Vorarlberg, spricht im „Die Wirtschaft“-Interview über die aktuellen Herausforderungen für die Wirtschaft in Vorarlberg.

Wie erleben Sie aktuell die Situation für die Wirtschaft im Land?

Es ist zugegebenermaßen so herausfordernd wie noch nie. Einst sicher Geglaubtes wie die Energieversorgung bereitet Sorgen. Bisher war das immer eine angenehme Rahmenbedingung, über die man nicht nachzudenken brauchte. Das war zu blauäugig. Dazu kommen die Themen Rohstoffe und Arbeitskräfte, auch da sind die Unternehmen massiv betroffen. Bei letzterem hat man aus der demographischen Entwicklung heraus klar absehen können, was da auf uns zukommt. Den Betrieben ist es zwar immer gelungen sich den Herausforderungen zu stellen und sich den Gegebenheiten anzupassen, aber Resilienz ist mehr denn je ein Thema. 

Der aktuelle Wirtschaftsbericht zeigt ein vorsichtig optimistisches Bild.

Die Exportorientierung ist nach wie vor hervorragend, die Unternehmen sind hier sehr gut positioniert, der Inlandsmarkt – siehe Bauwirtschaft – funktioniert. Aber auch hier wird die Rohstoffverknappung, der Arbeitskräftemangel, die Kreditvergaberichtlinien zu einer großen Aufgabe. Wobei steigende Zinsen unter Umständen zu einer Verflachung oder gar Entkrampfung der massiven Preissteigerungen vergangener Jahre führen könnten. Damit umzugehen ist aber auch für die Bauwirtschaft keine einfache Aufgabe. 

Sie sprechen viele Herausforderungen an, einige davon sind auch neu. Haben wir zu lange gesättigt zugeschaut?

Die Unternehmen im Land haben immer rechtzeitig antizipiert und sich auf Neues eingestellt, wenn es um die Digitalisierung geht oder etwa um Veränderungen in den Exportmärkten. Überrascht wurden wir mit Sicherheit von der Rohstoffknappheit. Ganz zentral ist die aktuelle Energiefrage. Das bestätigt uns auch unser Wirtschaftsbarometer für Vorarlberg. Neun von zehn Unternehmen geben an, dass die hohen Energiepreise und die mögliche Verknappung bei der Versorgung für sie eine Notsituation darstellen. 

Sehen Sie eine Gefahr für den Wohlstand?

Ich möchte es keine Gefahr nennen, aber zumindest eine Herausforderung. Der Wohlstand kommt aus dem, was wir immer gewohnt waren; es ist über die Generationen immer nur besser geworden. Die große Frage ist, wie können wir die hervorragende wirtschaftliche Situation und den hohen sozialen Frieden erhalten. Das braucht viel gegenseitiges Verständnis für die jeweilige Situation. Zudem wird auch absehbar, dass wir auf das eine oder andere verzichten werden müssen. Jetzt kann man sagen, auf dem höchsten Niveau, auf dem wir uns befinden, müsste dies einfach möglich sein; den Menschen das klarzumachen, ist aber alles andere als leicht. Aber ich traue mich schon zu sagen, dass wir diese Art von Wohlstand, zum Teil importierten Wohlstand, neu sortieren müssen. 

Welche Rolle soll oder besser gesagt muss dabei die Wirtschaftskammer spielen?

Wir haben wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen zu schaffen und sind in all den aktuellen Fragen gefordert, auch in den Bereichen wie den Rohstoffen, die wir nicht allein lösen können. Es gilt, die Stimme zu erheben und höchstmögliche Planungssicherheit einzufordern. Da muss der Weg von den fossilen zu den erneuerbaren Energieträgern geschafft werden. Da ist ein enormer Druck da, weil wir zum einen diese Unabhängigkeit schaffen müssen und weil es zum anderen fraglich ist, ob wir dann genügend Energie für unseren Bedarf erzeugen können. 

Und doch haben wir es auch selbst in der Hand. Etwa bei den UVP-Verfahren.

Was erneuerbare Energie anbelangt, müssen die Rahmenbedingungen geschaffen werden, dass man möglichst rasch Entscheidungen herbeiführen kann. Da ist jeder Monat Zeitgewinn ein Vorteil. Die Interessenslagen vieler müssen berücksichtigt werden, aber gleichzeitig müssen die Verfahren beschleunigt werden. Die Zeit rinnt uns sprichwörtlich davon, doch mit durchschnittlichen Verfahrensdauern von fünf bis zehn Jahren wird die Klima- und Energiewende nicht machbar sein.  Viele wichtige Investitionen – insbesondere in nachhaltige Energieträger – stecken jahrelang im Nadelöhr von Umweltverträglichkeitsprüfungs-Verfahren fest: Hürden abzubauen und unnötige Verfahrensschleifen vermeiden. Das sichert die Wettbewerbsfähigkeit.

Sie haben die Arbeitskräftethematik angesprochen. Die WKV hat hier einige Initiativen gesetzt.

Ja, das ist wichtig, denn wie bringen wir etwa eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zustande? Mit der HSG-Kooperation haben wir einen wichtigen Akzent gesetzt, wir bringen die internationale Schule ins Land; es passieren viele Initiativen, aber die braucht es auch, damit der attraktive und privilegierte Wirtschaftsraum fortgeführt werden kann.  Für viele, die von außen kommen, ist unser Land ein sehr schönes, aber auch teures. Darüber sollten wir nachdenken, um dann wirkungsvolle Maßnahmen zu entwickeln.

Wann rechnen Sie mit einer Entspannung?

Es gibt nach wie vor einen gewissen Optimismus in der Unternehmerschaft, aber die Entwicklung der nächsten Monate wird entscheidend werden. Das hängt maßgeblich vom Krieg in der Ukraine und von der Gasversorgung ab. Die Sicherstellung hat oberste Priorität, gleichzeitig muss alles unternommen werden, um raus aus der fossilen Energie zu kommen. Das braucht einfach seine Zeit; bis dorthin brauchen wir Gas und eine klarere Kommunikation der Bundesregierung mit der Unternehmerschaft.

Was bedeutet die hohe Inflation für die Lohnverhandlungen im Herbst?

Es wird spannend, wie wir zum einen als Unternehmen fair mit unseren Preisen umgehen und zum anderen wie die Dienstnehmer mit einem gewissen Augenmaß in Lohnverhandlungen gehen werden. Eine Lohnpreisspirale sollten wir mit aller Kraft verhindern. Die steuerliche Entlastung durch den Staat ist richtig und passgenau, sofern das möglich ist, denn man muss, um den sozialen Frieden zu wahren, denen helfen, die es wirklich brauchen. Die Mitarbeitenden sollen fair am Unternehmenserfolg beteiligt sein. Dennoch gilt es im Hinterkopf zu behalten, dass nicht durch überproportional hohe Lohnabschlüsse die Inflation noch weiter befeuert wird.

Einige verkehrspolitische Themen stehen ebenfalls aktuell auf der Agenda...

Der Wirtschaftsstandort braucht eine funktionierende Anbindung, Schiene wie Straße, an die angrenzenden Räume. Davon sind wir als Export- und Importland einfach abhängig, es ist im Übrigen auch ein Tourismusthema im Incoming Geschäft. Wie kann ich anreisen und mich innerhalb meiner Reisedestination fortbewegen? Ich wünsche mir, dass alle Aspekte berücksichtigt werden und nicht über den niedrigsten Zaun gesprungen wird, was die betriebswirtschaftliche Seite angeht. Es müssen ernsthaft Alternativen gerade auch in Bezug auf eine Bahnanbindung geprüft werden, ohne jahrzehntelang zu verzögern wie bei der S 18. Ein klarer gemeinsamer politischer Wille wäre da so wichtig!

Interview: Herbert Motter

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